609.
Zur Größe gehört die Furchtbarkeit: man lasse sich nichts vormachen.
610.
Die Kriegerischen und die Friedlichen. – Bist du ein Mensch, der die Instinkte des Kriegers im Leibe hat? Und in diesem Falle bliebe noch eine zweite Frage: Bist du ein Angriffskrieger oder ein Widerstandskrieger von Instinkt? Der Rest von Menschen, alles, was nicht kriegerisch von Instinkt ist, will Frieden, will Eintracht, will „Freiheit“, will „gleiche Rechte“ – : das sind nur Namen und Stufen für ein und dasselbe. Dorthin gehen, wo man nicht nötig hat, sich zu wehren, – solche Menschen werden unzufrieden mit sich, wenn sie genötigt sind, Widerstand zu leisten: sie wollen Zustände schaffen, wo es überhaupt keinen Krieg mehr gibt. Schlimmstenfalls sich unterwerfen, gehorchen, einordnen: immer noch besser als Krieg führen, – so rät es zum Beispiel dem Christen sein Instinkt. Bei den geborenen Kriegern gibt es etwas wie Bewaffnung in Charakter, in Wahl der Zustände, in der Ausbildung jeder Eigenschaft: die „Waffe“ ist im ersten Typus, die Wehr im zweiten am besten entwickelt.
Die Unbewaffneten, die Unbewehrten: welche Hilfsmittel und Tugenden sie nötig haben, um es auszuhalten, – um selbst obzusiegen.
611.
Was wird aus dem Menschen, der keine Gründe mehr hat, sich zu wehren und anzugreifen? Was bleibt von seinen Affekten übrig, wenn die ihm abhanden kommen, in denen er seine Wehr und seine Waffe hat?
612.
Man muß von den Kriegen her lernen: 1. den Tod in die Nähe der Interessen zu bringen, für die man kämpft – das macht uns ehrwürdig; 2. man muß lernen, viele zum Opfer bringen und seine Sache wichtig genug nehmen, um die Menschen nicht zu schonen; 3. die starre Disziplin, und im Krieg Gewalt und List sich zugestehen.
613.
„Das Paradies ist unter dem Schatten der Schwerter“ – auch ein Symbolon und Kerbholzwort, an dem sich Seelen vornehmer und kriegerischer Abkunft verraten und erraten.
614.
Nicht „das Glück folgt der Tugend“, – sondern der Mächtigere bestimmt seinen glücklichen Zustand erst als Tugend.
Die bösen Handlungen gehören zu den Mächtigen und Tugendhaften: die schlechten, niedrigen zu den Unterworfenen.
Der mächtigste Mensch, der Schaffende, müßte der böseste sein, insofern er sein Ideal an allen Menschen durchsetzt gegen alle ihre Ideale und sie zu seinem Bilde umschafft. Böse heißt hier: hart, schmerzhaft, aufgezwungen.
Solche Menschen wie Napoleon müssen immer wiederkommen und den Glauben an die Selbstherrlichkeit des Einzelnen befestigen: er selber aber war durch die Mittel, die er anwenden mußte, korrumpiert worden und hatte die Noblesse des Charakters verloren. Unter einer andern Art Menschen sich durchsetzend, hätte er andere Mittel anwenden können; und so wäre es nicht notwendig, daß ein Cäsar schlecht werden müßte.
615.
Der große Mensch ist notwendig Skeptiker (womit nicht gesagt ist, daß er es scheinen müßte), vorausgesetzt, daß dies die Größe ausmacht: etwas Großes wollen und die Mittel dazu. Die Freiheit von jeder Art Überzeugung gehört zur Stärke seines Willens. So ist es jenem „aufgeklärten Despotismus“ gemäß, den jede große Leidenschaft ausübt. Eine solche nimmt den Intellekt in ihren Dienst; sie hat den Mut auch zu unheiligen Mitteln; sie macht unbedenklich; sie gönnt sich Überzeugungen, sie braucht sie selbst, aber sie unterwirft sich ihnen nicht. Das Bedürfnis nach Glauben, nach irgend etwas Unbedingtem in Ja und Nein ist ein Beweis der Schwäche; alle Schwäche ist Willensschwäche. Der Mensch des Glaubens, der Gläubige ist notwendig eine kleine Art Mensch. Hieraus ergibt sich, daß „Freiheit des Geistes“, das heißt Unglaube als Instinkt, Vorbedingung der Größe ist.
616.
Es ist nur eine Sache der Kraft: alle krankhaften Züge des Jahrhunderts haben, aber ausgleichen in einer überreichen, plastischen, wiederherstellenden Kraft. Der starke Mensch.
617.
Der Begriff „starker und schwacher Mensch“ reduziert sich darauf, daß im ersten Falle viel Kraft vererbt ist – er ist eine Summe: im andern noch wenig – (– unzureichende Vererbung, Zersplitterung des Ererbten). Die Schwäche kann ein Anfangsphänomen sein: „noch wenig“; oder ein Endphänomen: „nicht mehr“.
Der Ansatzpunkt ist der, wo große Kraft ist, wo Kraft auszugeben ist. Die Masse, als die Summe der Schwachen, reagiert langsam; wehrt sich gegen vieles, für das sie zu schwach ist, – von dem sie keinen Nutzen haben kann; schafft nicht, geht nicht voran.
Dies gegen die Theorie, welche das starke Individuum leugnet und meint, „die Masse tut's“. Es ist die Differenz wie zwischen getrennten Geschlechtern: es können vier, fünf Generationen zwischen dem Tätigen und der Masse liegen – eine chronologische Differenz.
Die Werte der Schwachen sind obenan, weil die Starken sie übernommen haben, um damit zu leiten.