
The Project Gutenberg EBook of Sämtliche Werke 3-4: Der Idiot, by
Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Title: Sämtliche Werke 3-4: Der Idiot
Author: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Contributor: Dmitri Mereschkowski
Editor: Arthur Moeller van den Bruck
Translator: E. K. Rahsin
Release Date: September 22, 2019 [EBook #60340]
Language: German
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMTLICHE WERKE 3-4: DER IDIOT ***
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F. M. Dostojewski: Sämtliche Werke
Unter Mitarbeiterschaft von Dmitri Mereschkowski
herausgegeben von Moeller van den Bruck
Übertragen von E. K. Rahsin
Erste Abteilung: Dritter und vierter Band
F. M. Dostojewski
Der Idiot
Roman

R. Piper & Co. Verlag, München
R. Piper & Co. Verlag, München, 1918
Sechste bis achte Auflage
Druck: Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig.
Copyright 1915 by R. Piper & Co.,
Verlag in München.
Die russische Mystik ist ein Od, das den russischen Menschen umgibt. Die russische Mystik ist der Atem, der dem Leib und dem Leben des russischen Volkes entströmt. Die russische Mystik ist die Stimmung, die der russischen Erde entsteigt, dämmernd und dampfend, mit jeder Scholle, die umgeworfen wird, und die an der russischen Landschaft hängt wie Tau und Nebel, zwischen langen, langen Flußufern und weiten, weiten Flächen. Diese Sinnlichkeit kennzeichnet sie. Es ist spürbar die Mystik eines jungen, noch schwer sich bewegenden, noch tief in sich befangenen Volkes, das zu keinem Bewußtsein seiner Gefühle und kaum zu einer Ahnung dieses Bewußtseins gekommen ist. Mit Mystik setzt die Geistesentwicklung eines jeden innerlichen Menschenschlages ein. Mystik ist immer und überall der früheste Versuch des Menschen, sich an das Wesen der Dinge heranzutasten. Mystik ist das Auge, das sich aufschlägt und die Erscheinungen zum ersten Male staunend zu einem Erscheinungsganzen zusammenschaut. Mystik ist das Urdenken der Menschheit, wie Mythe ihre Urkunst ist. Je nachdem, ob die Mystik nun im Verlauf ihrer immer bewußteren Weiterentwicklung zur tiefen Innenethik wird wie im Buddhismus, oder zur hellen Offenbarungsreligion wie im Christentum, oder zu einer großen ästhetischen Philosophie oder philosophischen Ästhetik wie bei den Hellenen, oder zu einer echten Weltanschauung, Kampfgesinnung und Lebensweisheit wie bei den Germanen, unterscheiden sich dann die Völker und ihre Kulturen voneinander. Immer aber ging dieser Aufstieg zur klaren Anteilnahme des Menschen am Geiste der Welt und zur letzten Vergeistigung der Menschen selbst, als dem Höchsten, das wir erreichen können, von der Sinnlichkeit, von jener selben mystischen Sinnlichkeit aus, die heute aus allen Poren des Russentums dringt und Land und Volk wie mit einem dicken, weißen, wallenden, heiligen Nebel umgibt, und die immer so vor dem Geiste, vor Ethik und Religion, vor Philosophie und Metaphysik hergeht, wie eben das Gefühl dem Wissen, die Erfahrung der Erkenntnis, die Ahnung dem Bewußtsein vorhergeht. Mit dem Bewußtsein und seinen Geistessteigerungen sind wir an unserem Ziel angelangt. Mit der Mystik und ihren Ahnungszuständen dagegen, die noch wie trächtig ist von Empfindung, Glaube und Wahn, von Boden, Erde und Menschlichkeit und die den Übergang von dem Dunkel, aus dem wir kommen, zu der Helle, zu der wir hindrängen, noch unmittelbar mit sich schleppt, sind wir dem Ursprünglichen und schließlich auch Ewigen unserer Bild- und Denkvorstellungen näher. In der Mystik werden die großen Wahrheiten, man kann gewiß nicht sagen, am klarsten ausgesprochen, wohl aber am ursprünglichsten geoffenbart. Die Mystik ist gleichsam die große Weltnatur selbst, die sich in uns Menschen, zwar wie von ferne noch, aber dafür in allergewaltigsten Bewegungen, zum ersten Male denkend bewegt und in einem weiten, mächtigen, wenn auch noch verschwommenen Stimmungsungefähr durchbricht.
Auch die russische Mystik wird in irgendeiner Weise den Weg gehen, den die indische und christliche, die griechische und deutsche bereits gegangen ist. Wohin dieser Weg das Russentum führen wird, welche Taten und Erlöser auf diesem Wege liegen werden, das können wir heute natürlich nicht wissen, wie wir nie etwas Geschichtliches der Zukunft im einzelnen genau vorauswissen können. Nur das Wesen einer Erscheinung, um die es sich handelt, und damit freilich das Wichtigste, können wir frühzeitig erkennen. Und das ist hier die Sinnlichkeit der russischen Mystik, die dichter, körperlicher, man möchte sagen leibhaftiger ist, als die Sinnlichkeit einer jeden anderen Mystik war. Ganz gewiß war die Mystik namentlich der Hellenen und Germanen von Anfang an lichter, seherischer, bereits schärfer unterscheidend, war bei allem In-Eines-Sehen doch schon dualistisch trennend und nicht monistisch auflösend. So viel haftende, lastende, niederziehende Schwere wie auf den Slawen hat auf keiner anderen Rasse oder Nation geruht, und auch auf dem völkerchaotischen Notzustand nicht, in den Christus befreiend trat. Überall hatten schon bestimmte klare Ideen den Menschen eine Bahn aus sich heraus gebrochen. Es war noch ein Zustand der Mystik, in dem sie lebten, aber zugleich war in der Mystik schon der Wille wirksam, sich selbst zu überschreiten. Sogar die Mystik der Inder, die der Mystik der Slawen noch am nächsten steht und mit der sie gewissermaßen die geographische Angrenzung und damit die Anteilnahme an einer ähnlichen weltklimatischen Atmosphäre und psychischen Disposition teilt, war bei aller sinnlichen, fast künstlichen Verinnerlichung und Selbstbetrachtung, die sich mit ihr verband, doch eine äußerste Geistesanspannung. Nicht grundlos heißt Veda Wissen. Was die Veden enthalten, war die Summe des für den Inder Wissensmöglichen. Nicht durch Gefühl, sondern ausdrücklich „durch Denken läßt sich erschauen, was dauert und in Ewigkeit feststeht“, weiß schon der Rigveda. Bei Christus trat dann freilich die persönliche Vermittlung „zum Vater“ an die Stelle der gedanklichen. Und es war, schon weil sie, indem sie an die Sinne geknüpft war, an die Persönlichkeit geknüpft war, eine echt mystische Vermittlung. Aber gerade Christus führte dann doch als das verbindende Weltprinzip, an das er die Menschen im Himmel und auf Erden den Anschluß finden lehrte, den Geist ein, sprach ihn als den übergeordneten Dritten und den Binder der Dinge im Raum heilig und machte ihn zum obersten Bewohner, Ordner, Lenker des Weltbaus. Erst recht ideologisch war von Anfang an die Mystik der Griechen. In dem Urdenken der Orphiker lag die platonische Idee bereits vorgebildet. Diese selbst war, mit all ihrer Sinnenhaftigkeit und all ihrem Künstlertum, eine echt mystische Idee. Eine Metaphysik haben die Griechen eigentlich nie besessen. Zwischen Mystik und Dialektik schwankte ihr Denken. In ihrer bildlichen und baugewaltigen Vorstellung aber wurde die Weltmystik früh zur Weltarchitektur. Selbst der Vorstellung Plotins merkte man noch etwas von dem strahlenden Götterstaate Homers an. Und gerade Plotin, der bewußte Mystiker, der künstlich wieder das weiche Gefühl aufnahm, nachdem das Denken in aristotelischer Begrifflichkeit verhärtet war, sprach aus, daß die Erkenntnis der Wahrheit, „Selbstanschauung der Vernunft im Menschen“ sei. Bei den Germanen aber verkündete Meister Eckehart: „So hat die erkennende Vernunft immer noch etwas über sich, was sie nicht zu begründen vermag; aber immerhin erkennt sie doch, daß da noch etwas Übergeordnetes ist.“ Und er verkündete damit im Grunde schon Kant und die Erkenntniskritik. Es war Mystik – aber es war Mystik als reinste Metaphysik. Von einer solchen erstaunlichen ideologischen Frühreife weiß natürlich die russische Mystik in ihrer Erd- und Sinnengebundenheit nichts. Überall schlägt bei ihr durch, daß sie ganz eine Mystik des Leibes und der ihm entströmenden Seele, aber noch gar nicht des Geistes ist. In gleicher Stärke ist noch keine Rasse und auch noch keine einzelne mystische Persönlichkeit in ihrem Körper zugleich mit Mysterium geladen und mit Fluidum behaftet gewesen. Die russische Mystik ist die angeborene Krankheit, zugleich aber auch die höchste Gesundheit, alles in allem die eigentliche Natur des Russentums. Mystisch-Kataleptisches und zugleich Mystisch-Katastrophisches sind seine stille Eigentümlichkeit. In der Ausentwicklung dieser Eigentümlichkeit wird die Weiterentwicklung seiner Mystik und seines Denkens liegen. Wie die Erscheinung, die ihr zugrunde liegt, wird auch die Erscheinung, die aus ihr folgt, eine ganz neue Erscheinung sein. Wie die unterschiedliche mystische Anlage der Rasse überall zu den anderen Äußerungen geführt hat, zu Ethik hier, zu Religion dort, zu bald mehr rationalistischer Philosophie in dem einen, zu bald mehr metaphysischer in dem anderen Kulturkreise, wie das Christentum nicht buchstäblich den Buddhismus, wie die Geistesgeschichte des Germanentums nicht die des Hellenentums wiederholt hat, wie vielmehr alle diese Welten grundverschiedene Welten gewesen sind, so wird auch die slawische Mystik ihren eigenen und nur ihr gehörigen geistigen Wert schaffen und den geistigen Kulturkreis, den die Menschheit wachsend gezogen hat, um eine neue Innenkultur bereichern. Aber noch einmal: wir können diesen Wert heute noch nicht kennen. Wir können nur ganz allgemein sagen, daß wir, nachdem wir die Ethik, die Religion und die Philosophie der Mystik schon bekommen haben, von Rußland aus, wo die sinnlich-mystischen Dispositionen so dicht wie nirgendwo und nirgendwann über Land und Volk verteilt liegen, so etwas wie gesteigerte Mystik, vollendete Mystik, gewissermaßen eine Mystik der Mystik erhalten werden, für die uns Wort, Name, Begriff noch fehlt, in der jedoch, wenn ihr Wort einmal ausgesprochen sein wird, die Erlösung für den russischen Menschen liegen wird, und für jeden, der einen russischen Menschen in sich birgt.
Die russische Mystik, wie sie latent im russischen Volke liegt, ist jahrhundertelang von der Orthodoxie gleichsam abgelenkt, von der russischen Geistlichkeit klug und vorsichtig behandelt und, soweit sie sich bereits klarer und mit sich selbst beschäftigt, als geistiges Leben äußern wollte, wohl auch in den Klöstern und im Sektiererleben Rußlands aufgespeichert und befriedigt worden. Erst Tolstoi und Dostojewski haben die russische Mystik wirklich ausgedrückt und alles das, was latent war, endlich einmal persönlich sprechen lassen. Tolstoi tat es, indem er einfach schilderte: wir erfahren bei ihm die russische Mystik genau so, wie wir sie jederzeit erfahren können, wenn wir uns in das russische Leben mischen. Dostojewski dagegen hat die russische Mystik bekannt und hat um sie gerungen, wie man um Probleme ringt, von ihm ab wissen wir, was wir sonst höchstens aus manchen religiösen Begleiterscheinungen des Nihilismus wissen könnten: daß die russische Mystik bereits auf dem Wege von einem bloßen Zustande zu einem Bewußtsein und vom Gefühl und den Sinnen zum Geist und zu einer russischen Geistigkeit ist. Man braucht nur die Namen Schatoffs, Kiriloffs und der Brüder Karamasoff zu nennen – und sofort steigen lauter einzelne Weltanschauungen auf, die alle auf dem Grunde der russischen Mystik und Volklichkeit ruhen und bereits Teile einer künftigen allgemeinen und umfassenden russischen Weltanschauung sind. Doch gehören diese Gestalten erst Dostojewskis späterer Entwicklung an. Einmal jedoch, mehr am Anfang seines großen Lebenswerkes, das ein einziger großer Versuch ist, den russischen Ausdruck und Helden zu finden, den er dann von Figur zu Figur, von Typ zu Typ variierte, hat er der russischen Mystik einen zentralen Träger zu geben versucht: in der Gestalt des Fürsten Myschkin. Es wurde freilich – und hier schlug die einzige geschichtliche Verwurzelung durch, die die russische Mystik hat und deren einseitige, anthropologisch und geographisch abgesonderte Innen- und Sonderentwicklung sie ist – ein wesentlich christologischer, jesushafter Träger. Nachdem sich Dostojewski im Roman und in der Gestalt Rodion Raskolnikoffs mit dem mehr westeuropäischen Moralproblem der Schuld und des Jenseits von Gut und Böse auseinandergesetzt hatte, tat er im „Idioten“ dasselbe mit dem Heilandsphänomen, indem er ihm einen russischen Träger unterlegte. Es war, wie das nicht anders möglich sein konnte, ein sinnlich-mystischer Träger. Alle die geheimnisvollen Auswirkungen des Fürsten auf andere Menschen gehen, wie Ausstrahlungen, unmittelbar von seiner Physis aus. In dieser Weise ist Mystik immer an die Persönlichkeit gebunden. Wer die Wunder Jesu verstehen will, der braucht nur die Auswirkungen Lew Myschkins zu verstehen. Der Gegenstand und auch die Stärke der Entladung ist verschieden, aber das elektrische Phänomen ist dasselbe. Der Rückgriff Dostojewskis auf Christus und Christlichkeit geschah dabei durchaus bewußt. In einem der wenigen visionär-klaren Augenblicke, die er dem Fürsten gegeben hat, läßt er ihn sagen: „Die Gegenwehr des Ostens gegen den Westen soll unser Christus sein, den wir in seiner wahren Gestalt in uns bewahrt haben.“ Diese Annäherung Lew Myschkins an Christus hinderte nicht, daß von Dostojewski aus – für den Christus allzeit das Heiligste war, das die Erde jemals getragen hat, und ein so Unantastbarer, daß er vielleicht nur aus innerer Scheu sein geplantes großes Werk über Christus niemals geschrieben – die Durchführung der Gestalt Lew Myschkins schließlich einer Unterwertung ihrer Christlichkeit gleichkam. Wenn wir die Summe des „Idioten“ ziehen, so bleibt von seinem armen Helden am Ende wirklich nur die Pathologie übrig, und im besten Falle eine gewisse Samariterhaftigkeit. Von seinem wahren Verhältnis zu Christus aber kann man sagen, daß er sich zu ihm verhält wie eine Qualle zu Kristall: Christus und Lew Myschkin verstehen beide alles: Lew Myschkin verzeiht sofort und leidet noch für den Schuldigen; Christus dagegen verzeiht gleichfalls, aber hat noch die Kraft, nicht selbst für den Schuldigen zu leiden; Christus steht also über dem Leiden, während Lew Myschkin haltlos und in tiefstem Lebenssinne charakterlos, ohne einen Zaun um sein Ich zu haben, zwischen den Leuten und Leiden umhersteht. Sogar die Liebe wird ihm persönlich abgestritten, und einmal muß er den harten Vorwurf hinnehmen: „Was Sie sagen, das ist nichts als Wahrheit, und schon deshalb ist es ungerecht.“ Für Dostojewski war das Christliche und Heilandsmäßige eine Möglichkeit für das Russische. Doch nicht etwa einen russischen Jesus wollte er mit Lew Myschkin hinstellen, sondern nur eine menschliche Vorstufe zu einem solchen wollte er finden. Dostojewski wußte, daß auch das Russentum, wie ein jedes Volk und ein jeder Kulturkreis, sich auf eine persönliche Weise mit dem Christentum abfinden und dann einen persönlichen Wert aus ihm schaffen muß. Es geschah im „Idioten“, seinem christlichen Werk und zugleich demjenigen, in dem er das Problem russisch überwand. Das Wichtige, Überdauernde, Unvergängliche an der Gestalt Lew Myschkins ist nicht, wie bei der großen Weltgestalt Christi, er selbst, sondern die Beeinflussung, die von ihm ausgeht. Einen großen Mittler nicht, wie Christus war, sondern nur einen Mittelmenschen kann man ihn nennen, der seinen Zweck gar nicht in sich trägt, nicht darin, daß er nun etwa als Religionsstifter weiterlebte, sondern darin, daß er ganz unvermerkt andere Menschen mit sich befruchtet. Einmal muß in dieser Weise auch das Christliche vom Russentum aufgenommen und einer russischen Umwertung zugeführt werden. Es strebt selbst und von sich aus Christlichem zu, und sicherlich wird es gar nichts Befruchtenderes für das Russentum geben, als gerade das Christentum. Diese Umwertung nun, die Dostojewski als erster auf sich genommen hat, bahnt in seinem Lebenswerk der „Idiot“ an. Er steht in der Entwicklung Dostojewskis an derselben Stelle, an der in der Entwicklung Rußlands das Christliche steht: als ein Übergang und Vorstadium zu Neuem, Kommendem, Eigenem. Freilich auch hier wird man scheiden müssen. Es gibt zweierlei Russentum: ein leidendes und ein tätiges. Das erstere wird sich wohl immer mit dem Christlichen, in seiner Form des Orthodoxen und Kirchlichen und voller Geduld und Demut, zufrieden geben. Das andere Russentum dagegen, das Germanisch-Sibirische, wie man es genannt hat, wird dasjenige sein, welches die eigentlich russischen Werte schafft. Diesem zweiten Russentum hat Dostojewski die Schatoff- und selbst Raskolnikoffnaturen zu Helden gegeben, und im „Idioten“ hat er, als seinen künftigen Träger, gegen Lew Myschkin die heiße, wilde, bebende Kraftgestalt Rogoshins gestellt.
Für uns ist der Träger der russischen Mystik in ihrem ganzen Umfang und in allen ihren Möglichkeiten Dostojewski selbst. Kein großer Ethiker, kein Philosoph, kein Religionsstifter ist aus der russischen Mystik seither hervorgegangen. Nur einen großen Leidenden, Kampfzeugen und Märtyrer haben wir bekommen: Dostojewski. Der Name eines Dichters deckt seine Gestalt nicht mehr. Er ist Genie schlechtweg und gehört zu den Mystikern, die die Gesetze der Welt fühlen und ahnungsvoll schauen, gehört zu den Metaphysikern, die sie ergründen und begreifen, zu den Visionären und Propheten, die aufstehen und sie uns deuten, zu den Heilanden, die geboren werden, um uns von ihnen zu erlösen, und schließlich zu den Fanatikern und Heroen, die für ihr Volk um sie kämpfen.